Pfarre Kals im Seelsorgeraum Matrei-Kals-Huben
Die Reliquien von Kals
Viele von uns kennen es: Andenken an liebe Verstorbene werden aufbewahrt, an einem würdigen Ort platziert und gehütet wie ein Schatz.
So sammeln sich über die Jahre Fotos und andere Erinnerungsstücke, die das Gefühl erwecken, einen intensiveren Kontakt zum toten Menschen zu haben. Es ist in den letzten Jahren auch immer beliebter geworden, einen Teil der Asche Verstorbener zuhause zu verwahren. Alle diese Dinge sind zwar materiell nicht viel wert, doch wir schätzen sie und sie sind uns heilig.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Reliquien, die in vielen Kirchen des
Landes aufbewahrt und verehrt werden. Auch die Pfarrkirche von Kals beherbergt Reliquien, die teilweise für die Spendung des Segens, teilweise auch als Altarschmuck dienen.
Das Wort „Reliquie“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Überbleibsel“. Konkret in der Katholischen Kirche versteht man darunter die menschlichen Überreste eines verehrten Menschen, Dinge, die dieser Mensch zu Lebzeiten verwendete oder auch Gegenstände, die mit ihm in Berührung gekommen sind.
In der Bibel wird von Objekten berichtet, die im Zusammenhang mit verehrten Personen Wunder gewirkt haben. So steht zum Beispiel in der Apostelgeschichte geschrieben, dass Schweißtücher des Paulus verwendet wurden, um damit Kranke zu heilen (Apg 5,15). Dieses und andere Beispiele sagen uns, dass die Reliquienfrömmigkeit schon in der Bibel angelegt und im Urchristentum ausgeformt wurde. Damit soll aber nicht ausgedrückt werden, dass Katholikinnen und Katholiken bestimmten Objekten magische Kräfte zuschreiben, sondern dass Gott durch bestimmte Menschen und Dinge seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen will- so wie wir durch Andenken an liebe Verstorbene näher in ihre Gegenwart rücken. Thomas von Aquin, ein großer mittelalterliche Theologe, hat es einmal so ausgedrückt, dass Reliquien wie ein Vergrößerungsglas sind, das uns die Liebe Gottes deutlicher veranschaulichen will.
In diesem Verständnis entstand im Urchristentum die Tradition, an den Gräbern der Heiligen Gottesdienst zu feiern. Weil es aber immer mehr christliche Gemeinden gab und alle ganz nah bei den Heiligen sein wollten, fing man an die menschlichen Überreste zu teilen und an andere Kirchen zu verschenken. Auch heute ist es noch so, dass bei einer Altarweihe die Reliquien von Heiligen eingemauert werden. Ab dem Mittelalter hatten die Menschen das Bedürfnis, die zuvor in verschlossenen Gräbern oder Kästen aufbewahrten Reliquien zu sehen und zu berühren. Es entstanden daher kostbare Gefäße, die einen Blick auf die verehrten Gegenstände erlaubten und manchmal auch eine Berührung zuließen.
Nun hat der moderne Mensch wahrscheinlich nichts gegen Abbildungen oder Gebrauchsgegenstände von Verstorbenen, aber wenn es um menschliche Überreste geht, so wird die eine oder der andere schon etwas skeptisch. Dies hängt einerseits mit dem Empfinden zusammen, dass solche Dinge eher unhygienisch und morbid wirken. Andererseits ist der mittelalterliche Missbrauch des Reliquienkultes Grund für eine Ablehnung:
Durch die extreme Beliebtheit von Reliquien kam es zu einem falschen Verständnis, denn man schrieb den Reliquien magische Kräfte zu. Deshalb blühte auch der Handel und es kam nicht selten zu Fälschungen. Diesen Missbrauch hat die Kirche beim Konzil von Trient entschieden verurteilt und damit für klarere Regeln in diesem Bereich gesorgt.
Die Reliquien in der Pfarrkirche von Kals sind ein wunderschönes Beispiel für die starke Frömmigkeit unserer Vorfahren. Sie wollten den Heiligen ganz nahe sein und sich so des göttlichen Beistandes vergewissern. Konkret finden wir sie in den kostbaren Schaukästen, genannt Altarpyramiden, die links und rechts neben dem Tabernakel stehen. Sie bergen Knochenreliquien der römischen Märtyrer Gonzana, Lucidus, Bonifacius, Generosa und Cälestina. Über die Geschichte dieser Heiligen wissen wir leider nur, dass sie in Rom den Märtyrertod fanden. Es ist aber auch ein Teil des Schleiers der hl. Rosa von Viterbo enthalten, die im 13. Jahrhundert lebte und bis heute in Italien sehr verehrt wird.
Es befinden sich zudem zwei Monstranzen im Kalser Kirchenschatz, die mit Reliquien des Kreuzes Christi und des Pfarrpatrons Rupert von Salzburg bestückt sind. Die Kreuzreliquie wurde früher verwendet, um damit den Segen für gedeihliches Wetter zu spenden.
Die Reliquien in der Kalser Pfarrkirche sollen begreifbar machen, dass uns Gott auch durch die Heiligen seine Liebe schenken will. So kann es einen nur freuen, dass die kostbar gefassten Reliquien dort wieder einen besonderen Platz bekommen haben. Ich bin überzeugt, dass die Kalser Heiligen den Segen für dieses schöne Dorf und seine Bewohnerinnen und Bewohner erbitten.
Michael Weiskopf
Reliquienverantwortlicher der Diözese Innsbruck